Es ist toll… Ich entdecke Nietzsche nach und nach beim Studium neu.
Vor Jahren hatte wir in Sömmerda mal einen kleinen Philosophiestammtisch. Zu dritt, manchmal sogar zu fünft, lasen wir Nietzsches „Also sprach Zarathustra“. Schritt für Schritt, Kapitel für Kapitel diskutierten wir, kauten jedes Wort durch. Wir entdeckten und genossen Nietzsche, ja stritten öfters sogar energisch über die Auslegungen…
Wir spürten es damals, doch verstehen tue ich es erst heut: Wir sahen, be-dachten Nietzsche damals nur als Autor, als Dichter. Wir verstanden ihn nicht, wir fühlten ihn. Über die eigenen Seelenqualen, all den Schmerzen des Lebens, kamen wir zu einem Nietzscheverständnis, was allein unseres war… Daher bekam es mehr Wert, als jedes Studium.
Wie weit entfernt unser Verständnis eigentlich von den Interpretationen der Universitätsphilosophie war, verstehe ich erst heute. Man lernt im Studium all die historischen Vordenker kennen, deren Ideen die Basis oder wenigstens die Inspiration für spätere Denker war. Es wird klar, dass kaum eine Philosophie wirklich neu sein kann, auch die Nietzsches nicht. Jede ist und war die Konsequenz aus all den vorherigen. So versteht man Nietzsche ohne Plato, Kant, Wagner und Schopenhauer kaum, was sich an Hand Nietsches Ansichten über die Musik sehr gut zeigen läßt. (Das erspare ich mir für jetzt, aber ich komme drauf zurück.) Ebenfalls deutlich ist es auch an Nietzsches Gedanken zu Moral. Auch wenn er eine „Umwertung aller Werte“ verlangt, ist die Basis seines Denkens trotzallem die kantische und besonders die schopenhauersche Philosophie. Ohne die Kälte des kategorischen Imperativs und ohne die (für mich) Haltlosigkeit der Mitleidsethik, wäre er vielleicht nie zu derart radikalen Ideen gekommen.
Aber ich komme vom Thema ab… Eigentlich wollte ich nur meine Faszination kundtun, wie man einen Philosophen komplett neu entdeckt, den man doch so gut zu kennen geglaubt hat…