• Di. Apr 23rd, 2024

Existenzspuren

Jedes Leben und jeder Gedanke hinterlassen ExistenzSpuren...

Freiheit ist nicht nur politisch ein wichtiges Gut, sondern im alltäglichen Lebensentwurf ebenfalls. Jeder Mensch möchte ein selbstbestimmtes, selbständiges Leben führen, was niemand anderes diktiert und in dem ihm keine Zwänge auferlegt werden.

Einem behinderten Menschen bedeutet Freiheit meist noch viel mehr. Beschränkt in seinen körperlichen Möglichkeiten, kämpft er um seine äußerliche Handlungsfreiheit noch sehr viel intensiver und bewußter, als jeder nicht-behinderte Mensch. Jede Handlung, jede Entscheidung ist ein rütteln an den Grenzen der Be-hinderung.

Gerade aus diesem Grund haben Pflegedienste die Aufgabe, nicht nur die körperlichen Schwächen auszugleichen, sondern gerade die äußerlichen Beschränkungen zu minimieren., welche als Folge der Behinderung entstehen. Nehmen wir als Beispiel die Entscheidung, wann man zu Bett geht bzw. wann man aufsteht. Dies ist für einen Behinderten eine wichtige Entscheidung, welche direkt einen wichtigen Faktor der Lebensqualität ausmacht, denn die selbstbestimmte Zeiteinteilung bedingt nicht nur ein soziales Leben, sondern auch das Selbstwertgefühl des Menschen.

Nun gibt es aber Pflegedienste (siehe auch http://existenzspuren.de/?p=643 ) die direkt oder indirekt gerade an dieser Stelle Grenzen setzen. Direkt tun sie das, in dem sie z.b. keine Nachtdienste anbieten, so daß der Pflegenehmer (schönes Wort für ein goldenes Kalb in Ketten) bereits in der Spätschicht zu Bett gehen muss, natürlich vorausgesetzt er braucht beim zu-bett-gehen Hilfe. Das bedeutet, spätestens 22 Uhr ist Schicht im Schacht… Da bleibt keine Zeit mehr für ein soziales Leben, besonders wenn man jung ist.

Dann gibt es aber Pflegedienste, die beim ersten Gespräch gerade diese Freiheit garantieren. Jedoch beginnen sie nach und nach damit diese Garantie aufzuweichen… Plötzlich sind keine Pflegefachkräfte mehr in der Nachtschicht, obwohl Bewohner in der Nacht auf deren Hilfe angewiesen sind. Der Bewohner schweigt meistens und findet sich mit der normalen Pflegekraft ab, obwohl weiterhin eine Fachkraft gegenüber der AOK abgerechnet wird. Was bleibt ihm anderes, wenn er seine Freiheit erhalten will, statt vor 22 Uhr bereits in Bett zu gehen? Irgendwann kommt die zweite Phase: In dieser werden die Pflegekräft nicht mehr in jeder Nachtschicht eingesetzt, sondern es sind nicht-ausgebildete Kräfte da, welche nicht mal Pflegeerfahrungen haben… Der Pflegenehmer bekommt spätestens an dieser Stelle Angst um seine Gesundheit, denn wer vertraut schon einem beruflich unerfahrenen Menschen, obwohl er doch eine Fachkraft benötigt und bezahlt? (Akzeptieren sie einen Malerlehrling, wenn sie einen Meister angefordert und finanziert haben?) Jetzt bleibt kaum eine Wahl: man beißt in den bitteren Apfel und wird sich selbst untreu, egal ob man daran kaputt geht: Man geht eher ins Bett… Nun ist die Spirale endgültig eröffnet. Über die dritte Phase mag ich gar nicht nachdenken, denn wahrscheinlich wird dann die Nachtschicht nicht mehr benötigt, denn es gehen ja alle vor 22 Uhr zu Bett…

Vielleicht gibt es an dieser Stelle noch immer Menschen, die sich fragen, warum ich mich da aufrege… Dann sollten diese Menschen wissen, dass es auch Pflegedienste gibt, die nicht nur das obige praktizieren, sondern ihre Mitarbeiter auch noch in zwölf-stündige Dienste pressen. Ja, die sogar Praktikanten (Schüler und Schülerinnen!) zu diesen 12-Stunden-Diensten zwingen… Man kann an einer Hand ausrechnen, dass bereits kurzfristig die Zahl der Pflegefehler zunehmen wird, selbst bei Fachkräften. Denn wer hält solche Dienste auf Dauer durch, wenn dazu nicht mal eine Notwendigkeit besteht? Selbst wenn es einen Freizeitausgleich gibt, haben die Mitarbeiter eigentlich in solchen Schichten kein Leben mehr…. Da macht die Arbeit wirklich Freude….

Die behinderten und alten Menschen sind die Goldesel der Pflegedienste geworden. Goldesel in Fesseln. Mit jedem Monat und jedem Jahr werden diese Fesseln enger geschnürt, bis der Esel aus Atemnot nicht mal mehr zur Artikulation fähig ist. Hauptsache er gibt noch Goldstücke von sich.

Wehrt sich jemand? Nein, denn jeder Pflegenehmer hat Angst vor Repressalien durch das Pflegepersonal oder gar vor dem Verlust der Pflege. Es ist üblich, dass dem behinderten Menschen damit gedroht wird, dass man dafür sorgt, er würde die Pflegestufe verlieren, wenn er nicht die manipulierte und realitätsferne Abrechnung unterschreibe. Anderen Pflegenehmern wird vor dem MDK-Besuch genau eingeschärft, wie er sich verhalten muss, um das maximale Geld zu bekommen. Natürlich nur zu seinem Besten… Oder es werden ihm Mitarbeiter zur Seite stellen, die ihm in dem Gespräch unterstützen….

Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages jedem Eselschinder ein Licht aufgeht und er unter seinem Gewissen leidend sein Leben führen muss. Ich gebe auch die Hoffnung nicht auf, dass die Eselschinder ihre Strafe bekommen werden, sei in dieser Welt durch staatliche Organe oder in der zukünftigen Welt durch den Richter, den niemand bestechen kann und der uns allen tief ins Herz schaut.

Euer
Goldesel
4 Gedanken zu „Pflegenotstand (Zweiter Teil)“
  1. ich finde es sehr gut das Du diesen Schritt gemacht hast und es hier niedergeschrieben hast. Es gibt leider viele Pflegedienste die nach diesem Prinzip arbeiten . Es wird Zeit und das meiner Meinung nach Höchste Zeit dies öffendlich zu machen und vorallem ein Riegel davorzu schieben . Denn diese Dienste machen den ehrlichen den Ruf kaputt denn wenn man hört das es solche Pflegedienste gibt denken leider sehr viele Leute das alle so sind .

  2. ich kann deine sorgen voll nachvollziehen. ich bin zum glück noch überwiegend von famiele betreut und eher selten vom pflegedienst. der vergleich mit dem malermeister ist für nichtbehinderte sehr gut, verharmlost aber die eigentliche notsituation. denn wenn wirklich ein maler geselle ein fehler begeht, besteht warscheinlich ein garantieanspruch, wenn die gesundheit (in unserem falle ein knochenbruch) darunter leidet, tritt keine sponteilheilung ein, weil wir um unser recht klagen würden.

  3. Vielleicht wäre Vergleich mit dem erwarteten Chefarzt besser gewesen, welche jedoch vom Medizinstudenten vertreten wird… Vergleiche gibt es mehr als genug. Wichtig ist doch, dass Behinderte nicht auf Hilfe warten, sondern sie sich suchen und sich nicht alles gefallen lassen… Ich geb ja zu, bisher war ich auch fast immer zu faul und zu feige, mir Hilfe zu suchen. Gott sei Dank kam sie von allein.

  4. Ich kann es vollkommen nachvollziehen….Ich habe auch eine Behinderung aber muss dazu sagen dass ich kein Pflegekraft brauche…..Aber es ist eine Frechheit dass man und Behinderte, alte und kranke Mensche so ausnutzt.

    Hoffe dass die Krnakenkassen und die Politik was da gegen macht.

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