Leitkulturdebatte als Symptom der Trennung von Staat und Religion

Leitkultur.

Dieses unsägliche Wort ist wieder da. Doch noch unsäglicher ist die  damit einhergehende Debatte, die zwischen Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus hin und her wogt.

In diesem kurzen Beitrag möchte ich die These aufstellen, dass die Diskussion über die Deutsche Leitkultur nur ein Symptom der krampfhaften Trennung von Religion und Staat ist. In einem theokratischen bzw. klerikalem Staat, wäre solch ein Konzept überflüssig.

Bezeichnen wir die Zeit der Aufklärung bis zum Ende des 20. Jahrhunderts als pubertäre Phase Europas: Es war die Zeit, als man alles in Frage stellte, was in den vorhergehenden Jahrhunderten als unveränderlich und ewig während galt. Immanuel Kant propagierte die „Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ und Marx schimpfte einige Jahre später: „Religion ist Opium fürs Volk“. In Folge des weiteren pubertierens  Europas entwickelt sich der Laizismus, also die Verbannung der Religion aus den Angelegenheiten des Staates. Man drängte den Glauben zurück ins Private, ins stille Kämmerchen. Den Leitanspruch übernahm ein abstrakter Vernunftbegriff, der in Opposition zum Glauben gesehen wurde. Wer an Gott glaubte, galt immer mehr als lebensunfähig und schwach, kurz: als Verlierer. Höhepunkt dieser Entwicklung scheint der Nationalsozialismus  (nicht der deutsche, sondern auch der japanische, italienische Nationalsozialismus….) in der Mitte des 20. Jahrhunderts gewesen zu sein.

Jedoch wurde Europa in dieser pubertären Phase sein Drogenproblem nicht los: die Religion als Opium fürs Volk schlich sich durch die Hintertür wieder ein. Ersatzreligionen entstanden. Neue Fetische (Anbetungswürdige Objekte) nahmen den Platz des früheren Gottesglaubens ein: die Republik, der Nationalsozialismus, der Sozialismus, Marxismus/Leninismus, Kommunismus, die Wissenschaften, der Kapitalismus. Es ging auch noch abstrakter: die Vernunft, das Kapital, die Freiheit, Atheismus, Demokratie und der Wohlstand. Besonders die Demokratie, von Aristoteles noch verachtet, wird heute gepredigt, wo immer es geht, obwohl ihre Zeit sich langsam dem Ende zuzuneigen scheint.

So ist die Trennung von Kirche und Staat erneut aufgehoben. Der Fetisch, die Religion, trägt heute bloß einen anderen Namen und hat ein neues Aussehen. Der Mensch scheint Religion ebenso zu brauchen, wie Feindbilder. Man braucht etwas, woran man glauben kann, um seinem Leben einen Sinn zu geben. Religiös interpretiert könnte man aber auch sagen, Gott IST und läßt sich nicht weg-glauben / weg-vernünfteln. Wir existieren nicht ohne Gott, aber Gott ohne uns.

Wir sehen also, dass die Trennung von Religion und Staat nicht funktioniert, wobei man nicht mal erwähnen muss, dass das politische Individuum seine religiösen Ansichten auch einbringt in seinen (politischen) Alltag. Versucht man krampfhaft den Gottesglauben aus der offiziellen Ebene zu halten, entsteht so etwas wie die These der „Deutschen Leitkultur“. Man stellt sie der Religion und dem Fremden, häufig (jedoch nicht immer) vereint in Muslimen, entgegen, und entwickelt sie gleichzeitig  zum neuen Fetisch der deutschen Politik.

Ich will damit das Konzept der „Deutschen Leitkultur“ nicht verteidigen, Gott bewahre, sondern nur aufzeigen, welche Blüten der Säkularismus treiben kann. Auch wenn man die nationalen Eigenheiten und Kulturgüter schützen muss, so macht es doch keinen Sinn, sie Menschen aus anderen Kulturkreisen aufdrängen zu wollen. Kulturen haben sich immer durch den Einfluss andere Kulturen weiterentwickelt. Weigerten sie sich, gingen sie meist sehr schnell unter… Aber ich schweife ab…

In einem theokratischem Staat, gäbe es ein Konzept der „Deutschen Leitkultur“ nicht. Es gäbe zwar einen Führungsanspruch der herrschenden Religion, jedoch beruhte er nicht auf so diffusen Begriffen, wie Kultur oder Nation.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.