Angesteckt von Martin Heidegger und Hannah Arendt, grüble ich gerade, ob es je so etwas wie eine „deutsche Philosophie“ gab, oder ob alles nur ein nach-denken der antiken griechischen Philosophie war und ist?
Natürlich gab es Denkansätze, die wahrscheinlich so nur von Deutschen kommen konnten, wie Kants kalt-rationale Ethik und Metaphysik. Ich vergesse auch nicht Leibniz, Hegel, Schopenhauer usw…. Selbst Nietzsche dachte griechisch, kam aus dem griechischen Denken und war nie in der Lage darüber hinaus zu gehen…
Doch was ist eigentlich griechisch, was ist deutsch? Es gibt viele Spekulationen, wieso die griechische Philosophie entstehen konnte und wieso sie ist, wie sie war. Eine, wahrscheinlich die beste, ist, dass die griechische Sprache als erste die Möglichkeiten bot, das auszudrücken, was man im Denken vorfand. Burckhardt stellt fest, daß die griechische Sprache von den einzelnen Dingen unabhängig ist und selbst schon eine Art Dialektik ist. Durch das Vorhandensein des bestimmten Artikels, den es z.B. im Latein nicht gibt, wurde Schrift und Sprache zur Möglichkeit der Entdeckung des Selbst.
Ein weiterer spekulativer Erklärungsversuch geht auf das Klima, welches das Denken in dieser Weise begünstigt hat. Durch die milden Temperaturen war der Anbau von Getreide und die Zucht von Nutztieren vergleichbar unproblematisch, was ein relativ sorgenfreies und leichtes Leben ermöglichte. Statt täglich wieder ums überleben zu kämpfen, hatte man Zeit zum nachdenken.
Je nördlicher man jedoch schaut, desto schwerer wurden die Lebensbedinungen. Die Muse die Philosophie zu betreiben, trat im germanischen Raum erst im Mittelalter ein. (Wie es mir scheint, ging damit auch eine Emanzipation des Deutschen vom Latein einher.) Und doch traf man auf eine von der Theologie dominierten Philosophie, deren Basis das Griechentum (wenn auch verdeckt) war. Von da an begann eine Freilegung des antiken Erbes, ein zurück-denken zu den Wurzeln. Man legte Schicht für Schicht offen, befreite die Wurzeln von der römisch-christlichen Last.
Dies zieht sich bis in die Philosophie des 20. Jahrhunderts, vielleicht ja sogar bis in die aktuelle Philosophie. Momentan würde ich sagen, in Heideggers Werk wird diese Freilegung zum ersten Mal bewußt. Er stößt als erster in der modernen Philosophie wieder auf den Urgrund der Philosophie, legt offen, worauf die europäische Philosophie wuchs. Präziser formuliert: WORIN die europäische Philosophie sich entwickelte, denn aus dem griechischen Denken gab es noch kein hinaus oder gar hinüber. Dazu scheint es einfach zu umfassend, zu gewaltig.
Ein letzter Gedanke noch: Vielleicht gab es in Deutschland bisher nur eine Chance für eine eigene Philosophie: Auschwitz. Nach den Erfahrungen von Auschwitz kann man entweder resignieren oder man beginnt neu. Die Philosophie hat entweder ihre Auslöschung erreicht oder steht kurz vor ihrer Wiedergeburt. Beides wurde versäumt. Man machte nach einer kurzen Aufregung und Empörung weiter, als wäre nichts passiert.