Heute gab das Friedensnobelpreiskomitee begannt, dass der Friedensnobelpreis an die Europäische Union geht.
Natürlich erschallt sofort Kritik von allein Seiten und ich gestehe meine eigene Überraschung und meine Skepsis, obwohl ich ein uneingeschränkter Befürworter der EU bin. Die Entscheidung des Komitees ist schwer zu verstehen, wie ich finde. Und doch sprechen auch viele Gründe dafür.
Beginnen wir mal mit den Pro-Argumenten:
- Die Europäische Union ist seit ihrer Gründung eine Region des Friedens. Zwischen den Unionsstaaten gab es seitdem keinerlei militärische Auseinandersetzungen, auch wenn man natürlich oft Differenzen hat.
- Die derzeitige Krise birgt Potential zu einem solidarischerem Europa. Man hilft und unterstützt sich gegenseitig. Auch wenn die Krise hausgemacht ist, so wird auch versucht, sie größtenteils intern zu lösen.
- Die Staaten der Europäischen Union bieten ihren Bürgern Freiheit, sozialen Wohlstand und gesundheitliche Absicherungen, wenn es auch derzeit in vielen Region unnötige und schmerzliche Einschränkungen gibt. Diese halte ich aber für temporär. In kaum einer anderen Region ist Reisen, Bildung, Handel usw. so einfach und so komplex für fast jeden Bürger nutzbar.
- Es beginnt, gerade bei jungen Menschen, ein Gefühl der Gemeinschaft zu wachsen. Es wird normal in anderen Ländern zu studieren oder zu arbeiten. Es wird oder ist normal per Internet in den Europäischen Ländern einzukaufen. (Oft genug habe ich z.B. schon Literatur aus GB bestellt und relativ schnell, zollfrei erhalten.)
- Inklusion wird schleppend, aber stetig weiter entwickelt und realisiert.
Aber leider spricht auch einiges gegen diesen Preis und lässt die des Komitees absurd erscheinen:
- Die EU ist einer der größten Waffenproduzenten- und Händler der Welt.
- Die EU führt fremd-initiierte Kriege in der ganzen Welt, auch wenn dies oft als „humanitäre“ Aktion getarnt wird.
- Die Asylpolitik Europas wird jedes Jahr restriktiver und menschenunwürdiger.
- Damit einhergehend steigt der Rassismus in vielen europäischen Staaten. Schauen wir uns z.B. Ungarn an, dann wirkt ein Friedensnobelpreis vollkommen absurd. Die Behandlung der Sinti und Roma muss ich an dieser Stelle nicht mal erwähnen. Ebenso wenig den durch die Finanzkrise begründeten Rassismus unter den EU-Staaten.
- Die Europäische Finanzkrise führt, trotz immer noch großer Freiheiten und einem hohen Lebensniveau, zu steigenden Repressionen. Seien es die häufiger werdende Einschränkungen der Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit, oder die für den Bürger existenzgefährdenden finanziellen Einschnitte in den Krisenländern, wie Griechenland oder Spanien.
- Repressionen durch neue Überwachungstechnologien und Gesetze, wie ACTA usw…
- Wachsende Islamfeindlichkeit darf ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.
Wie man sieht, gibt es auf beiden Seiten viele gute Argumente. Grundsätzlich finde ich den Preis verfrüht, denn solange die soziale und politische Einheit Europas nicht vollzogen ist, solange die Staaten sich nicht zu Bundesstaaten unter europäischer Oberhoheit gewandelt haben, gibt es noch keine endgültige Europäische Union. Wie wacklig das gesamte System zu sein scheint, zeigt sich in der derzeitigen Krise, wo bei jedem Problem Europa in sofort Frage gestellt wird. Mit Brecht formuliert:
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.