Die momentane Fussballeuphorie inspiriert mich, über mein Verhältnis zu Nationalfahnen zu reflektieren. An jedem zweitem Auto oder Haus sieht man ja derzeit deutsche Fahnen wehen. Viele lassen sich die schwarz, rot, goldene Fahne auf die Wange malen oder tragen die Kleidung danach. Man spürt den Stolz auf die deutsche Nationalmanschafft, ja gar einen enormen Patriotismus. Für einige Wochen wird Nationalstolz salonfähig…
Doch statt mich mitreissen zu lassen, empfinde ich eher Abscheu. Es macht mir Angst, wie massiv dieser Nationalstolz plötzlich auf einen zukommt und wie eine dreifarbige Welle unbeteiligte überflutet.
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, fand meine moralisch / intellektuelle Sozialisation außerhalb von Schulgebäuden statt. Ich musste nie an Fahnenappellen usw. teilnehmen, doch auch ich lernte früh, daß meine Generation die Zukunft und Hoffnung der DDR sein würde. Dieser Staat würde so werden, wie meine Generation es möchte, weil wir bald die Fäden in der Hand haben würden. Und so würde auch uns auch die DDR-Fahne auch nur ein Symbol für Stolz sein, wenn wir etwas dafür tun und auf dem Weg zum kommunistischen Ideals voranschreiten. Das wir damals die Fahne voller Stolz hoben, sei den Leistungen der Menschen geschuldet, die das Naziregime überlebten und den sozialistischen Staat aufbauten… Menschen, die uns öffentlich wieder und wieder beschworen, daß von „…deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgehen…“ darf.
Und ja, bei mir wirkte es. Ich war stolz auf Hammer, Zirkel. und Ährenkranz. Doch das bemerkte ich selbst erst nach der Wende, als ich weder mit D-Mark noch mit der kahlen Fahne etwas anfangen konnte. Das war nicht mehr meine Fahne, nicht mehr mein Staat. Und er ist es bis heute nicht…Wie sollte ich auch stolz darauf sein, dass wir wieder Krieg führen, Politiker und Banker das Volk betrügen und wir unser Geld zur Unterstützung von Unrechtsregimen, wie Israel, zum Fenster rauswerfen?
Die heutige Fahne steht für mich für nie aufgearbeiteten Nationalismus, für einen Siegerstaat, der doch eigentlich Bankrott ist. Sie steht für Kapitalismus, Ausbeutung und Siegermentalität, obwohl Deutschland bis heute am Finanztropf anderer Staaten hängt. Sie steht aber auch für ein nicht vorhandenes (bzw. nicht praktiziertes) moral-politisches Denken.
Vielleicht geht mir ja damit was verloren, dass mich dieses deutsche Geflacke abstößt, das ziehe ich ja in betracht. Es ist beeindruckend, wie viel Kraft eine Fahne Menschen geben kann. Man muss nur mal in den Libanon oder Palästina schauen, wo die Fahne das Symbol für Freiheit und Widerstand ist, unter dem sich die Menschen gemeinsam einen.