Von Nietzsche zu Kant…

Es ist faszinierend, wie sich die Interessen im Laufe der Zeit ändern. Als ich begann zu denken, also mit 17/18 Jahren, begeisterten mich Nietzsche, Cioran, Camus usw. Philosophen, die mit ihrem Blick auf die Gesellschaft radikal aneckten, skandalisierten und aus den Widersprüchen des Geworfen-Seins einen Ausweg suchten. Es waren immer Denker, die weit weg der Universitären Philosophie dachten und schrieben. Selbst ihr Schreibstil war kaum vergleichbar mit dem ihrer Kollegen in den Akademien. Ihre Werke sind und waren Poesie, verlockten mit wunderbaren Formulierungen dazu, sie als die einzig seeligmachende Wahrheit zu sehen…. Jedenfalls wenn man jung ist…

Doch irgendwie hat sich das alles geändert. Nietzsche ist zwar immer noch toll, aber heute lese ich seine Werke und bleibe unbefriedigt zurück… Vielleicht liegt es daran, dass ich älter geworden bin, vielleicht liegt es an veränderten Einstellungen zum Leben oder auch einfach nur daran, dass ich heute andere Fragen stelle, als mit 18.

Statt die Gesellschaft ändern zu wollen, will ich heute wissen, was das ist, was wir z.B. als „Realität“ bezeichnen. Die Fragen werden feiner, subtiler, suchen nicht mehr die Antwort durch das Hämmerchen des Archäologen (oder des Vorschlag-Hammers), sondern Tiefe.

Deshalb mag ich Kant. Natürlich hat auch sein Denken Fehler, ist vielleicht ab und zu so tief-sinnig, dass man vielleicht das Un-Sinnige übersieht… Aber trotzdem entspricht er (es überrascht mich selbst….) meinem derzeitigen Denken wesentlich mehr, als Nietzsche. Kants Texte fragen und nehmen einen dann mit auf die Suche nach den Antworten. Man bekommt sie selten einfach präsentiert, sondern muss nach-denken, Schritt für Schritt mit-denken. Mal wiederholt sich ein Gedanke, wird in anderen Worten neu formuliert, doch nie ist das umsonst oder sinnlos.

Auch wenn der folgende Gedanke vielleicht dumm klingen mag, aber Kant gibt auch Hoffnung. In einer Zeit, in der Moral überall zu verkommen und verschwinden scheint, da findet man bei Kant die Ansicht, dass alle Moral, alle guten, moralisch gebotenen Handlungsweisen (grob vereinfacht formuliert) noch gültig sind und immer gültig sein werden, auch wenn sie nie umgesetzt werden. Denkt man das weiter, dann sind wir in jedem Moment und zu jeder (kommenden) Zeit in der Lage, die momentane Entfernung von der Moral umzukehren: Man muss nur durch Erziehung zum selbst-denken die Menschen wieder lehren, die Grundsätze der Moral zu erkennen bzw. zu verstehen.

Faszinierend ist auch Kants Ablehnung der Demokratie, aber dazu ein anderes Mal mehr…

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