Bismillah
As-Salamu aleykum
Die heutige, 29.07.2016, Freitagspredigt in der Erfurter Moschee war mal wieder enorm verstörend und verwirrend. Es fällt mir schwer fair darüber zu berichten, da 70% der Predigt auf arabisch war und die restlichen 30% in einem sehr schlechten deutsch. Es fällt mir auch schwer fair zu bleiben, weil ich verstehen kann, dass man nach den Ereignissen der letzten Wochen schwer ruhig bleiben kann, besonders, wenn man als Imam von allen Seiten gesagt bekommt, Muslime seien Terroristen, insbesondere die Salafisten. (Wiegt in diesem Fall noch mehr, da der Imam zu dieser Gruppierung gehört.) Ich verstehe auch die innere Verfassung, wenn man es so empfindet, als würde die Öffentlichkeit mehr über die „islamisch motivierten“ Psychos spricht, als über den möchte-gern Nazi aus München, der Amok lief.
Das kann ich nachvollziehen und teile diese Empfindung. Und trotzdem verstehe ich es nicht, wenn man in einer Freitagspredigt vollkommen ohne Empathie laut sein Unverständnis äußert, dass die Menschen Angst vor dem Islam haben. Besonders nach den Vorkommnissen der letzten Monate in der Türkei, Frankreich, Deutschland usw., ist das doch vollkommen klar. Die Menschen hören überall und fast täglich, dass ein „Muslim“ bzw. ein „Islamist“ sich wieder irgendwo in die Luft gejagt hat. Otto Normalverbraucher, also die breite Masse, ist weder willens, noch hat sie genügend Wissen, um zwischen der Religion und den Extremisten zu differenzieren. Das ist traurig, belastet auch mich sehr, aber es ist verständlich. Besonders, da die breite Masse nicht mal ihre eigene Religion kennt oder überhaupt eine hat.
Aber schweifen wir nicht ab. Wie wichtig wäre es, meiner Meinung nach, dass man die Gläubigen sensibilisiert für das, was momentan passiert. Das man ihnen die Sichtweise der nicht-Muslime eröffnet bzw. erläutert. Hat nicht Rasulallah (saws) immer wieder erklärt, warum er in einer bestimmten Weise handelt? Hat er (saws) nicht auch immer erläutert und davor gewarnt, wie nicht-Muslime über ihn denken würden, würde er anders handeln? Sollte nicht ein Imam, der immer kritisiert, dass die Sunna angeblich nicht mehr gelebt wird, nach der Sunna des Propheten (saws) handeln?
Nein, er redet lieber darüber, dass „die“ (er konkretisierte es nicht auf deutsch) den Islam schlecht machen, bekämpfen und vernichten wolle. In diesem Zusammenhang fiel ihm nichts dümmeres ein, als auf Hitler und Göring zu verweisen, die schon vom lenken und manipulieren der Masse gesprochen hätten… Bis auf ein oder zwei Sätze zitierte er leider die Beiden fast nur auf arabisch (sic!), was ebenfalls absurd ist…
Möge Allah subhana wa ta’ala uns vor einem Imam bewahren, der derart unkritisch die Namen dieser Völkermörder und Satane in ein Freitagsgebet wirft. Es ist mir unbegreiflich, wie man derart „argumentieren“ kann. Egal, was er auf Arabisch noch sagte in diesem Zusammenhang, gehören diese Namen nicht in eine Freitagspredigt, außer man erläutert und warnt vor derartigen Strömungen. Vielleicht wollte der Imam das, aber dann muss er sicherstellen, dass es in BEIDEN Sprachen verstanden wird. Besonders bei derart sensiblen Themen.
Es folgten dann noch Verweise auf Allah ta’alas Wort, dass ER der beste Planer sei, was wahrscheinlich der Aufhänger für die Predigt war.
Zum Ende kritisierte er dann noch ein wenig die Extremisten und verwies auf einen Hadith, aus dem man (kurz gesagt) zusammenfassen kann: Derartige Gruppen kommen und gehen.
Warum ich mich aufrege
Ich rege mich auf, weil ich die ganze (mir sprachlich verständliche Rede) als vollkommen unsensibel und dumm empfand. Sie war emotional politisch, verschwörungstheoretisch und verworren, statt religiös oder spirituell. Sie war weder lehrreich, noch stärkte sei den Iman (den Glauben), sondern fördert eher die Mär der großen Verschwörung gegen die Muslime. Weder hilft das Migranten beim ankommen, noch entschärft es das gegenseitige Misstrauen. Wo wurde von diesem Imam (nicht nur heute) je gezeigt, wie schön unser Glaube ist? Wie viel Weisheit in jedem einzelnen Vers des Quran, in jedem Hadith und in den Büchern der Gelehrten liegt? Wo sprach er je über Barmherzigkeit, über Gnade oder über UNSERE Verantwortung ALLEN Menschen gegenüber?
Eine Aya aus dem Quran sei ihm, meinen Lesern und auch mir zum Schluß noch ans Herz gelegt: Im Gedenken an Allah subhana wa ta’ala finden die Herzen Ruhe.
Wa aleykum salam
As-salamu alaikum, mein Lieber, habe volles Verständnis für Deine Empörung über eine derartig fehlgelaufene Khutbah eines offenbar grundlegend fehlgeleiteten Khatibs. Die Frage lautet, ob es in Deiner Nähe eine andere Moschee mit einem qualifizierten Iman gibt, die Du am Freitag besuchen könntest.
Wa aleykum salam. Hier in Erfurt gibt es nur eine Moschee. Leider habe ich hier keine Auswahl…. Und die geplante Moschee der Ahmadiyya ist natürlich auch keine Alternative.
Hallo, darf ich mal vollkommen unwissend fragen warum die geplante Moschee, ebemso wenig eine alternative ist? Die ahmadiyya sprechen doch öffentlich immer von ihrer rolle als Vertreter des Friedens, welchen der islam predigt. Liebe Grüße Christian
Guten Abend. Die Ahmadiyya gelten für die allermeisten Gruppen der Muslime als ausgeschieden aus dem Islam. Ihr Gründer wird als Prophet dargestellt bzw. angesehen, obwohl Mohammed (Friede und Segen auf ihm) selbst sagte, dass er (Friede und Segen auf ihm) der letzte Prophet sei, den Allah schickte. Er (Friede und Segen auf ihm) sei der Siegelstein der Prophetenschaft. (Das ist der Stein oben im Torbogen, der sozusagen beide Seiten des Tores verbindet und stützt.) Über diese Aussage gibt im Islam keinen Zweifel. Die Ahmadiyya verstoßen also gegen eine der absoluten Grundlagen des Islams.
Ich vergleiche das immer mit dem Verhältnis von Katholiken zu Mormonen. Beide glauben an Jesus und die Dreifaltigkeit. Aber im Detail gibt es riesige Unterschiede. Wahrscheinlich würde kein Katholik die Mormonen anerkennen….
Okay, vielen Dank für die schnelle Antwort. Also liegt wie man so schön sagt auch hier der Teufel im Detail. Man weiß ja im Allgemeinen das es viele Strömungen und verschiedene Glaubensgrmeinschaften gibt, in jeder Religion. Am Ende zählt für mich als nicht religiöser Mensch der Grundgedanke des friedlichen Miteinander aller Menschen und der Grundregeln welche dieses ermöglichen sollen, sowohl in den religiösen Schriften als auch in der Philosophie, bzw den Gesetzen eines Landes oder einer Gemeinschaft. Ich finde es gut wenn wir uns alle etwas mehr mit diesen Themen auseinander setzen, aber es ist nicht einfach in einer so globalen, vielseitigen Welt in der alltäglich tausende von Informationen auf uns einprasseln. Die Menschen können kaum noch differenzieren. Ein Imam sollte tatsächlich eine ganz entscheidende Rolle bei diesem Prozess, des sich zurecht und zueinander finden spielen. Negative Gefühle haben der Menschheit zu keinem Zeitpunkt der Geschichte einen guten Dienst erwiesen. Sicher auch nicht den unterdrückten Muslimen der Welt in Zeiten in denen sie nach Rache und nach dem Tod aller Feinde geschriehen haben, was bis heute dann als aktuell und im Zeitlich falschen Kontext gesetzt von so vielen Menschen mit dem Islam als gesamtreligion falsch ausgelegt wird. Eine Reform wie sie von vielen gewünscht wird macht die Vielfalt der Glaubensgrmeinschaften auch fast unmöglich, oder wie sehen sie das? Lg Christian
Reformierungsbewegungen haben wir doch. Aus denen kommen die Salafiten und Wahabiten, da sie den Islam zum Ursprung bzw. zur Reinheit des Anfangs, zurückführen wollen. Was daraus wird, sehen wir täglich in den verschiedenen Krisenherden.
Aber mal etwas konkreter: Eine Reform ist eigentlich vollkommen überflüssig und schädlich. Die Praktizierung des Glaubens, sowie die Auslegung der Schriften war und ist von Beginn an im Wandel begriffen. Die Religionsgelehrten interpretieren je nach Zeit, Ort, Gesellschaft und religiöser Strömung täglich die Schriften neu. Die Auslebung des afrikanischen Islams ist anders, als die des arabischen oder britischen Islams. So entstand eine ungeheuere Zahl von Rechtsschulen, die sich heute auf 4 bzw. 5 reduziert hat. Das ist eben die Vielseitigkeit, für die ich Allah ta’ala dankbar bin.
Die heutigen Probleme sind keine Probleme des Islams. Es sind zum Einen politische Probleme, tief verwurzelt in der Kolonialzeit.
Zum Anderen oft gesellschaftliche Probleme, wie mangelnde Bildung der Muslime. (Auch das eine Folge der Kolonialzeit.) Kaum ein Gläubiger kennt die eigene Religion, weiß, was Allah ta’ala in Seinem „Buch“ befiehlt. So fallen sie oft auf Extremisten rein, die das natürlich ausnutzen.
Hier ist das nicht anders: Wer kennt heute noch die christliche Lehre? So fallen die Menschen auf Scientology oder die Mormonen herein. Oder auf extreme christliche Jugendgruppen, von denen es auch viele gibt.
Deshalb lege ich ja auf die Predigten der Imame so viel Wert. Der Imam ist meist der erste und (oft) einzige religiöse Lehrer, den viele Muslime haben. Redet er Unsinn oder drückt sich mehrdeutig aus, dann kann der Schaden riesig sein. Spätestens, wenn der extremistische Rekrutierer diese Schwachstelle angreift, anders darlegt und so den Respekt und das Vertrauen der Muslime erlangt. Und schon haben wir vielleicht einen Pseudomärtyrer mehr…