• Sa. Apr 20th, 2024

Existenzspuren

Jedes Leben und jeder Gedanke hinterlassen ExistenzSpuren...

Große Text haben soviele Ebenen, wie es Leser gibt. Jeder findet etwas anderes, neues darin. Findet sich selbst darin wieder, egal in welcher Lebensphase er/sie sich gerade befindet.

„Leyla und Madschnun“ ist so ein Text, der immer wieder neu entdeckbar ist. Die Geschichte ist schnell erzählt: Der, den man später Madschnun (arab. für: Verrückt) nennt, verliebt sich noch sehr jung bereits in die wunderschöne Leyla. Doch leider werden die Beiden auseinandergerissen und eh sie wissen, was Liebe ist, sind sie schon getrennt. Doch sie lieben sich weiter. Madschnun beginnt sein Leben der Liebe zu widmen. In Poesie fasst er seine Liebe, sendet ihr in Liedern und Gedichten Nachrichten der Liebe, ohne sicher zu sein, ob diese erwidert wird. Er liebt, um der Liebe willen.  Wie verrückt verkündet er der Welt in dieser Form sein Leid und seine Liebe, verläßt nicht nur die Familie, sondern wendet sich von den Menschen ab. Wer versteht ihn schon, denn nur jemand, der vollkommen in Liebe endwird, kann ihn verstehen.

Leyla liebt ebenfalls, doch nur selten kann sie dem Geliebten dies kundtun. Sie ist gefangen, zwischen ihrem Vater und ihrem Ehemann, den sie ablehnt. Doch nutzt sie selbst die kleinste Chance dem Geliebten ein Zeichen zu senden. Sei es auch noch so klein.

Damit ist die Geschichte eigentlich erzählt und doch beginnt sie hier erst. Ganze Bibliotheken füllt die Interpretation dieses Textes über eine Liebe, die in ihrer Konsequenz und Absolutheit ein Leben einnimmt. Es ist ein Text über die reine Liebe. Gerichtet auf ein Objekt, was Leyla heißt, ist sie mehr ein Weg, als das Ziel. Sie gewinnt ihren Wert nicht in der Erwiderung, sondern allein durch Madschnuns Hingabe an die Liebe zu Leyla. Auch wenn er Leyla sucht, geht es nicht um das Finden und Besitzen Leylas, sondern um das Lieben.

Es ist ein Text über die Liebe zu einem anderem Menschen, genauso wie es ein religiöser Text über die Liebe zu Gott ist. Er lehrt uns, dass der Wert der Liebe im lieben liegt, nicht im geliebt-werden. Das Objekt der Liebe ist fast irrelevant. Ob man einen Menschen oder Gott liebt unterscheidet sich nur darin, dass man von Gott nicht enttäuscht und verlassen wird.

Man kann jemand lieben, ohne es besitzen zu müssen. Liebe muss nicht erwidert werden, sie muss vom geliebten Wesen nicht bestätigt werden. Sie wird durch Rückschläge nicht geschwächt, sondern gestärkt, verliert nie die Hoffnung und bringt jedes Opfer.

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