• Do. Apr 25th, 2024

Existenzspuren

Jedes Leben und jeder Gedanke hinterlassen ExistenzSpuren...

Bismillah

Surah Ash-Sharh
Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen!

Haben Wir dir nicht deine Brust geweitet (1)

und dir deine Last abgenommen, (2)

die schwer auf deinem Rücken lastete, (3)

und deinen Namen erhöht? (4)

Und, wahrlich, mit der Drangsal geht Erleichterung einher; (5)

wahrlich, mit der Drangsal geht Erleichterung einher. (6)

Und, wenn du (mit etwas) fertig bist, dann bemühe dich (auch weiterhin), (7)

und begehre die Nähe deines Herrn. (8)

Ich werde immer wieder gefragt, wie ich damals, 2005, also vor fast 9 Jahren, zum Glauben fand und wie der Islam mein Leben veränderte… Außerdem kommen immer wieder die Fragen nach der Reaktion von Familie und Freunden.

Es ist nötig etwas auszuholen, um meinen Weg verständlich erzählen zu können, denn die Grundlagen wurden eigentlich schon in meiner Pubertät gelegt.

Aufgewachsen in einer wenig religiösen Familie, in der die meisten Mitglieder Atheisten oder nicht praktizierende Christen sind, suchte ich immer schon nach einem Weg diesem Leben Sinn zu geben. Natürlich begann ich auch als Atheist, aber ab der Pubertät genügt es mir nicht. Nur an eine Reihe zufälliger Begebenheiten zu glauben, fiel mir irgendwann schwer und entsprach meiner rationalen Grundeinstellung. So fand ich in Folge der üblichen jugendlichen Rebellion zum Gothic, las meinen LaVey („Satanische Bibel“), las Nietzsche und dachte, damit ließe sich wirklich eine Weltauffassung fundamentieren… Aber irgendwann genügte auch das nicht mehr, denn das Studium von Spinoza hatte erneut mein Weltbild ins wanken gebracht. Spinoza, der niederländische Philosoph, der von den Juden ausgestoßen wurde, aber auch von den Christen nicht gemocht, prägte ein Pantheistisches Weltbild, in dem Gott und Natur gleichgesetzt werden. Es gab also einen Gott für mich. Er hieß Natur und war nicht tot… Doch auch das gab mir keine Gewissheit. Denn in allen schlechten Zeiten fühlte ich mich trotzdem allein gelassen und einsam. Die Natur war nicht für mich da und alle meine Fragen waren damit auch nicht beantwortet. So ging die Suche unbewußt weiter.

Versteht mich nicht falsch: Ich saß nicht da und wollte unbedingt eine Religion finden. Sondern ich wollte verstehen, ob es einen Gott gibt oder nicht. Glauben wollte ich nicht, da ich ihn immer für sinnlos hielt (und halte), wenn er nicht durch nachdenken begründet wurde. Blinder Glaube liegt mir bis heute nicht…

Nun, lange Rede, wenig Sinn: 2005 bekam ich zwei Bücher in die Hand. Zum einen das „Buch Mormon“ der Mormonen und zum anderen den Quran. (Alhamdulillah). Ich las beide parallel und es passierte etwas, was ich nicht erwartet hätte: Ich entdeckte Gott. Nicht im Buch Mormon, worüber ich (muss ich gestehen) an vielen Stellen mindestens kichern musste, sondern im heiligen Quran. Denn ich fand alhamdulillah einen Gott, der mich aufforderte zum nachdenken und zum lesen. Der mich aufforderte nicht blind zu glauben, sondern über all das nachzudenken, was in und um mich herum passiert. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, jeden Augenblick.

So las ich die Übersetzung des Quran durch. Von vorn bis hinten… Alhamdulillah, ich hatte meinen Weg gefunden und wollte nun den nächsten Schritt machen. Gemeinsam mit einem damaligen Freund fuhren nach Erfurt und gingen einfach zur Moschee. Das Wort Moschee ist vielleicht missverständlich, denn eigentlich war es eine Altbauwohnung in einer Erfurter Seitenstraße. Im Erdgeschoss befand sich damals noch ein kleiner muslimischer Laden, den wir zuerst besuchten. Ich weiß noch, wie nervös und unsicher ich fragte, ob es jemand gäbe, der mir meine Fragen zum Islam beantworten kann. Noch heute Danke ich Allah ta’ala dafür, dass ich auf einen Imam traf, der nicht nur eine medizinische Ausbildung hatte (soweit mir bekannt war er Chirurg), sondern auch sehr weltoffen und geduldig meine Fragen beantwortete. Bis auf eine winzige, scherzhafte Frage versuchte er nicht, mich zum konvertieren zu überreden, was ihn noch sympathischer wirken ließ. Nein, er beantwortete nur meine Fragen und erlaubte sogar die Teilnahme am Freitagsgebet. Wir durften unbelästigt im Hintergrund einfach zuschauen und zu hören. Er ließ mir die Zeit selbst zum Islam zu finden.

Einige Wochen später war es dann so weit. Heimlich hatte ich daheim begonnen zu beten, las in muslimischen Foren und rührte unauffällig immer weniger Schweinefleisch an. Bis auf den Freund, der mich begleitet hatte, wusste niemand etwas davon, dass ich mich dazu entschieden hatte Muslim zu werden. Warum auch? Diese Entscheidung ist etwas sehr intimes, persönliches und besonders: sie gilt für den Rest meines Lebens.

Die absehbaren Diskussionen umging ich noch durch Geheimhaltung, denn erst sollte mein Glaube gefestigt und mein Wissen größer sein, eh ich mich darauf einlassen würde. Also las ich und eines Tages stand meine Entscheidung fest: Ich werde Muslim. Leider nur noch dunkel erinnere ich mich an das strahlende Lächeln des Imams, als ich ihm das am 08.08.2005 mitteilte. Was mir aber noch sehr präsent ist, war seine Freude darüber, dass gerade eine Gruppe Muslime aus dem arabischen Raum anwesend war. (Leider weiß nicht mehr, wer es war, aber sie müssen aus Tunesien oder Marokko gewesen sein…) Einer der Gruppenmitglieder muss ein Imam gewesen sein, denn bei ihm sprach ich dann das Glaubensbekenntnis. Naja, ich stotterte schwitzend und nervös die Shahada nach… Allah ta’ala allein verstand wahrscheinlich nur mein Genuschel.

Einige Jahre später erfuhr ich, dass der Imam, der mir so viele Fragen beantwortet hatte und mich geführt, bei einem Unfall verstorben ist. Oft denke ich an ihn und bitte Gott, den Allerbarmer, dass er diesem Imam seine Sünden vergeben hat und ihm ins Paradies kommen lässt dereinst…

Nun war ich Muslim und die Probleme begannen, wenn auch weniger schwer, wie befürchtet. Meiner Familie brachte ich meine Konvertierung in homöopathischen Dosen bei, also tröpfchenweise. Erst aß ich kein Schwein mehr, außer wenn ich wirklich gezwungen war. Daheim war das relativ leicht, da es bei uns sowieso mehr Gemüse, Fisch oder Geflügel gab. Schwer war es jedoch bei meinen Großeltern. Wer kann das mühevoll gekochte Essen der Oma denn einfach ablehnen? Schritt für Schritt verstand sie es aber alhamdulillah auch. Naja, fast… Sie tolerierte es. Wirklich verstehen kann sie es, denke ich, bis heute nicht.

Meine Ernährung veränderte sich also kaum, bis auf den Schweinefleischverzicht, denn Gemüse wurde bei uns schon immer zu jeder Mahlzeit gereicht. Da in meiner Familie kaum einer Alkohol trinkt, war das ebenfalls kein großes Problem. Das ich mir als Madhab die malikitische Rechtsschule auswählte, erleichterte auch einiges. Aber das nur am Rande…

Auch weiterhin betete ich heimlich, machte statt Wud’u lieber Tayammum, da ich ohne Hilfe mich daheim nicht waschen konnte. Für jedes Problem gibt es, Gott sei Dank, eine Lösung. Am schwierigsten war der Verzicht auf Alkohol, wenn auch nicht für mich, sondern für meine Freunde. Bis dahin war ich nämlich ein begeisterter Whiskeytrinker, kannte mich sogar ziemlich gut aus und verbrachte so manchen langen Abend in einer Bar. Die Freunde und die Bar besuchte ich auch weiterhin, doch statt Alkohol gab Tomatensaft oder alkoholfreie Cocktails. So Anfang schob ich es noch auf meine Medikamente, doch dann „beichtete“ ich nach und nach… Dabei traf ich auf viel Unverständnis, aber auch auf Neugier. Selbst die besten Freunde konnten es kaum nachvollziehen, aber akzeptierten es irgendwann. Verändert hatte ich mich ja eigentlich nicht, denke ich, abgesehen vom Verzicht auf Alkohol und Schwein.

Bis heute dränge ich der Familie meinen Glauben nicht auf, inshaAllah. Weder bete ich vor ihnen, noch versuche ich Da’wa zu machen, also sie zu bekehren. Fragen sie oder werfen mir irgendwas über den „bösen Islam“ vor, beantworte ich die Fragen so gut und so ruhig es geht oder versuche die Vorurteile zu widerlegen. Das ihnen mein Glauben oft unangenehm, ja peinlich zu sein scheint, bedauere ich von Herzen, aber es ist nicht mein Problem.

Zum Schluss möchte ich noch auf eine Frage eingehen, die mir immer wieder gestellt wird: Gab es spezielle Probleme wegen deiner Behinderung? Die Frage kann ich klar beantworten: Nein. Alhamdulillah, ich habe bisher keinerlei besondere Schwierigkeiten in Bezug auf meinen Glauben erfahren, die durch meine Behinderung bedingt wären. Natürlich muss man oft kreativ sein, da zum Beispiel viele Moscheen Treppen oder Stufen haben, oder ich machte zu Anfang Wud’u nur als Taymmum, weil ich allein nicht zum Bad kam. Aber es gab immer Lösungen. Der Islam ist einfach und bietet immer (Um-)Wege. So kann ich ohne Probleme im sitzen beten, brauch die Niederwerfungen nur anzudeuten, wenn es nicht anders geht, muss nicht fasten usw…. Gelobt sei Allah, der Gnadenvolle, der so viele Erleichterungen gibt! Dazu kommt die Hilfsbereitschaft der Muslime, die mich immer wieder begeistert und beschämt.

3 Gedanken zu „Mein Weg zum Islam“
  1. […] Heute, am 08.08.2015, jährt sich zum zehnten Mal der Tag meiner Konversion. Vor genau zehn Jahren sprach ich in der Trompsdorfer Straße in Erfurt die Shahada, das islamische Glaubensbekenntnis. Alhamdulillah. Wie es dazu kam, beschrieb ich vor einiger Zeit hier bereits: „Mein Weg zum Islam“ […]

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