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Existenzspuren

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Bismillah

As-Salamu alleykum

Prostitution neu regulieren und langfristig sogar abschaffen, fordert die „Emma“ in ihrer Ausgabe November/Dezember 2013

Natürlich habe ich auch eine Meinung zum Thema, wenn auch in meiner Brust dazu mehrere Herzen schlagen. Einerseits ist da das Herz eines gläubigen Muslims, dessen Religion es verbietet mit jemand anderem, als der eigenen Ehefrau Sex zu haben.

Ein zweites Herz schlägt westlich sozialisiert. Auf dieser Ebene finde ich nichts dabei, wenn Frauen oder Männer freiwillig Sexualität gegen Geld anbieten. Ich kaufe damit ja nicht den Menschen, sondern eine Leistung.

Ein drittes Herz wird von meinem Studium, meinen Lebenserfahrungen, sowie meiner eigenen Behinderung beeinflusst. Denn auch wenn ich nie die Dienste einer Sexarbeiterin in Anspruch nahm, so weiß ich, dass dies sehr oft der einzige Weg für behinderte Menschen ist, um überhaupt einmal im Leben ihre Sexualität erfahren können. Denn meist stehen dem normalen Kennenlernen von Menschen ästhetische, emotionale, intellektuelle, motorische oder hygienische Hindernisse entgegen. Ein weiteres Hindernis ist die soziale Konditionierungen des Menschen, die immer wieder in unser Hirn einprägen wollen, dass Behinderte keine sexuellen Wesen sind. So wenig, wie man sich die Sexualität der eigenen Eltern oder Großeltern vorstellen mag, so wenig können die meisten Menschen sich ohne Ekel Sex mit bzw. zwischen behinderten Menschen vorstellen.

Für die behinderten Menschen bedeutet dies meist Frust, Selbstzweifel, Hemmungen. Es entstehen soziale Abkapselungen, weil man sich ab einem gewissen Alter über die Reaktionen der anderen Menschen definiert. Besonders Männer machen dies, davon bin ich überzeugt, von sexuellen Aspekten im weitesten Sinn abhängig, wie Körperbau, Größe der Genitalien, Erfolge beim Flirten, erhaltene Telefonnummern usw…

An dieser Stelle können Sexarbeiterinnen sehr viel Schaden abwenden, indem sie durch ihre bezahlten Leistungen dem Kunden zeigen können, dass auch diese sexuell aktiv sein können, nicht abstoßend sind, nicht zu schlecht ausgestattet, nicht unfähig zur Befriedigung anderer Sexualpartner. Oft muss das Geschäft zwischen Sexarbeiter und Kunde oder Kundin nicht mal den Vollzug des Geschlechtsaktes bedeuten, sondern streicheln, küssen, kuscheln usw… Ja selbst körperliche Nähe kann viel im Seelenleben eines Menschen bewegen.

So hat man in Wohnheimen für geistig behinderte Menschen Versuche mit SexualarbeiterInnen gemacht und festgestellt, dass sie die (oft durch sexuellen Frust) hervorgerufene Aggressionen der Bewohner enorm reduzieren können, durch regelmäßige sexuelle Betätigungen. Genauso reduzierten sich die sexuell motivierten Übergriffe der Bewohner untereinander, da die Triebe endlich anderweitig befriedigt werden konnten.

Noch etwas persönliches: Meine muslimischen Leser wird mein Plädoyer für die Prostitution sehr befremdlich vorkommen. Mir ist bewußt, dass es haram ist, mir ist aber auch bewusst, dass viele muslimische Männer mit Behinderung gern heiraten würden, aber keine Frauen finden. Denn auch muslimische Frauen übernehmen langsam die westliche Unsitte, dass sie ihren Adonis suchen, der so schön ist, dass alle anderen Frauen neidisch werden… Trotz anderer Beteuerungen, vergessen sie oft wie wichtig das Herz, die Seele und der Charakter eines Menschen sind. Das Dinge, wie Zuverlässigkeit und Treuer, wichtiger sind, als strahlend blaue Augen oder schnelle Beine…

Worum es mir in diesem Beitrag ging ist, den Blick des Lesers auf diesen Aspekt des Problems zu lenken. Den kaum jemand denkt beim Thema Prostitution auch mal an die positiven Seiten, und wie wichtig sie teilweise für jede Gesellschaft ist….

Doch alles Wissen liegt allein bei Allah teallah und nur ER (swt.) kennt die Herzen der Menschen….

4 Gedanken zu „Prostitution (vorläufige Endfassung)“
  1. Danke für diesen Beitrag, ja, das ist sicher ein Aspekt, der berücksichtigt werden muss. Und vielleicht gibt es da auch langfristig einen Bedarf an sexuellen Dienstleistungen. Aber noch besser wäre es natürlich, wenn es mehr Gelegenheiten für unbezahlten Sex generell gäbe. Du stellst es ja selbst so dar, dass bezahlter Sex dann nur eine Notlösung ist, und als „Notlösung“ für alle möglichen Gegebenheiten ist auch nichts dagegen zu sagen. Ich bin nur dagegen, Prostitution als völlig normale, übliche und unterstützenswerte Form von Sexualität zu verstehen. Als Notlösung, die einspringt, wo sonst Dinge im Argen liegen, hat sie ihre Berechtigung, wird dann aber von selbst verschwinden, sobald diese Probleme anderweitig gelöst sind – dann endet nämlich die Nachfrage.

  2. Vielen Dank für diesen sachlichen und unaufgeregten Kommentar, wie ich es bei dir ja immer schätze.

    Inhaltlich sind wir da vollkommen einer Meinung. Nur bedeutet dein Wunsch eine Veränderung der menschlichen Sexualität, die nie rational oder religiös gesteuert, sondern immer Trieb bleiben wird.

    Es widerstrebt mir eben auch diese Frauen, Männer, sowie das ganze Gewerbe strikt und generell zu kriminalisieren.

    Dazu kommt doch eigentlich noch ein verborgener Sexismus in der Diskussion: werden denn immer nur Frauen zur Prostitution gezwungen? Warum reden alle nur von weiblichen Sexarbeitern?

  3. P. S. : Ich habe diese Dienste nicht genutzt, weil Sex nie als Ware erleben wollte. Weil ich der Überzeugung war, dass ich es nicht genießen könnte, wenn diejenige es nur wegen des Geldes tut. Unter uns gesagt ist das ein schwerer moralischer Standpunkt, denn innerlich kocht das Feuer, je weit man vom Wasser weg ist oder (noch schlimmer) je weiter man weg zu sein glaubt.

  4. ich würde es für mich warscheinlich auch nie in erwägung ziehen finde es aber in ordnung wenn es als Lösung genutzt wird im übrigen denke ich denn Bedarf wird es immer geben also auch in einer durch und durch Inklusiv Sozialistischen Gesellschaft

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